Wohnen und Arbeiten am Bahnhof

Status : 2. Round, Invited Competition, 2019
Client : Stadt Soest
Location : Soest, Germany
Program : Office & Residential
Site/GFA : 6,5 ha / 75.000 m²
Team : Vanessa Dietz, Changhui Ryu
Collaborators : Prof. Stefan Tischer

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Wohnen und Arbeiten am Teinenkamp

Die Stadtbrache nördlich des Bahnhof Soests entwickelt sich zu einem identitätsstiftenden, lebendigen Stadtquartier, das einen attraktiven Ort des Lebens und Arbeitens bietet. Die direkte Anbindung zur ÖPNV-Haltestelle und dem historischen Ortskern stellen eine optimale Voraussetzung für die Revitalisierung des Gebietes dar. Die Einbindung der erarbeiteten Strukturen in die bestehende Umgebung und die Qualität des gemeinschaftlichen Zusammenlebens sind essenziell für den Erfolg des Quartiers. Das Konzept beinhaltet bezüglich seiner Nutzerprofile vielfältige Freiräume, um ein generationsübergreifendes Zusammenleben zu erzeugen. Gemeinschaft, Kommunikation und Identität werden gefördert, um ein Quartier mit hoher Wohn-, Arbeits- und Aufenthaltsqualität zu schaffen.

 

Räumlicher Dialog zwischen Umgebung und neuem Quartier

Das Quartier bildet einen Auftaktpunkt zwischen dem Bahnhof mit dem dahinter liegenden historischen Stadtkern und dem sich weiter entwickelnden Wohnbaugebiet „Über dem Teinenbach“ im Norden Soests. Die Fläche ist in vier Bearbeitungsfelder (A1 – Wohnen, A2 – Landschaftsbauwerk, A3 – Gewerbe und Büro, B1 – Gewerbe und Büro) aufgeteilt. Ihnen liegen Blockstrukturen zu Grunde, die je nach Nutzung und Lage durch unterschiedliche Gebäudetypologien stark aufgelockert gegliedert sind, dabei aber stets das Ziel einer starken Durchlässigkeit innerhalb und zur Umgebung sowie einer gemeinsamen Formensprache verfolgen. Um angemessen auf die umgebende Bebauung zu reagieren, wurde dem Quartier durch seine Höhenentwicklung, Einschnitte in Form von Dachterrassen und Loggien und Balkonausbildung Dominanz genommen. Drei- bis Viergeschossige Gebäude geben sowohl den Freiräumen mehr Licht, gewährleisten direkte Blickbeziehungen zur Silhouette der historischen Innenstadt und fügen sich angebracht in ihr Umfeld ein. Klare bauliche Kanten definieren öffentliche und halböffentliche Räume, wie Plätze, Grünräume und -züge. Raumkanten und Blickachsen schaffen die Verbindungen zur Umgebung, der Haupterschließung über Norden und der Fußgängerverbindung im Süden. Dieser städtebauliche Rahmen schafft ein imageprägendes Stadtquartier.

 

Ein Stadtquartier mit Durchlässigkeit

Das im Nordosten gelegene Baufeld A1 grenzt an den Zeilenbau des Teinenkamp an. Durch die Ausrichtung nach dieser Struktur werden vier Wohnblöcke geschaffen, die sich zur Durchlässigkeit zum Teinenkamp öffnen. Die Ausrichtung der Bebauung schafft eine klare Linie, reagiert auf die Umgebung mit ihrem Baumbestand und komplettiert das harmonische Gesamtbild. Die Gebäudetypologien, wie Geschosswohnungsbau, Stadtvillen und Reihenhäuser lockern mit ihrer drei bis vier Geschossigkeit die Blockstrukturen auf und schaffen im Inneren halböffentliche Außenräume. Der um 180° gedrehte Solitär im Nord-Osten jedes Wohnblocks definiert den öffentlichen Raum zwischen diesen und setzt einen Hochpunkt. Durch die Öffnung zur Umgebung bildet sich ein gemeinsames Stadtbild mit dieser aus. In Richtung Südosten wurde bewusst nicht bis zur Grundstücksgrenze und in einem kleineren Maßstab bebaut, um sensibel auf die kleinteilige Bebauung in der Umgebung zu reagieren.

In den südlichen Baufeldern A3 und B1 entstehen der Bespielung entsprechende Blockstrukturen, die optimal für ihre Nutzung und flexibel erweiterbar sind. Büro- und Gewerbenutzungen werden in diesen wirtschaftlich untergebracht, halböffentliche Plätze im Inneren ausgebildet und das Quartier durch die durchgehende Bebauung Richtung Bahnschienen vor dem Verkehrslärm der Bahn geschützt. Dabei gehen die Blöcke trotzdem auf die angrenzende Wohnstrukturen ein, so dass durchgehende Wegeverbindungen vom Teinenkamp bis zur Südwestlichen Grundstücksgrenze entstehen.

Im Norden des Gebietes ist eine Quartiersgarage positioniert. Diese bildet sowohl Sonderbaustein als auch -nutzung. Trotzdem reflektiert sie die Formensprache des städtebaulichen Konzepts. Während Parkflächen der Bewohner tagsüber nicht genutzt werden, können diese von den Arbeitern des Baufeldes A3 verwendet werden, sodass das Parkhaus wirtschaftlich maximal ausgenutzt wird. Durch die Positionierung am Quartierseingang soll der Verkehr im Inneren reduziert werden. Um eine angemessene Parkflächenanzahl zu gewährleisten ist im Baufeld B1 Richtung Bahnschienen ein weiteres Parkhaus positioniert, das sich harmonisch in die Blockstruktur integriert.

 

Ein dynamischer Lebensraum

Die Erschließung im Gebiet folgt einem klaren Konzept. Die mittlere Hauptachse ist als großzügige „Teinenkamp-Promenade“ ausgebildet und für Kfz, Fahrradfahrer und Fußgänger attraktiv gestaltet. Die Promenade dient zur Haupterschließung, trennt Wohnen und Arbeiten voneinander ab, bildet aber gleichzeitig auch ihre Verbindung durch die Kreuzung der dazu orthogonal verlaufenden Nebenachsen, über die die Wohnungen erschlossen werden. Dahinter steht die Leitidee eines „shared space“, einem Raum, in dem alle Verkehrsteilnehmer vollständig gleichberechtigt werden. Dabei liegt die Priorität jedoch auf dem Komfort für Fußgänger mit Möglichkeiten zum Kurzparken, Parken für Behinderte, Anlieferungen oder Notfalleinsätze wie die der Feuerwehr. Mit der Positionierung der Hauseingänge über die Außenräume werden diese zusätzlich belebt und ein Ort der Kommunikation und des Austausches entsteht. Entsprechend dazu werden die Innenbereiche der Blockstrukturen beruhigt und dienen zur halböffentlichen bzw. privaten Nutzung. Durch die Rücksprünge der Bebauungen an der „Teinenkamp-Promenade“ und die schräg stehenden Stirnseiten werden spannungsvolle Räume und eine dynamische Durchwegung erzeugt. Als Reaktion der Bedeutung dieser Erschließungsstraße werden in der Erdgeschossbereichen der angrenzenden Gebäude gewerbliche Nutzungen, sowie gemeinschaftliche Aufenthaltsräume angeordnet und den Bewohnern und Besuchern eine Identität des Ortes zum Verweilen und Genießen geboten. Durch die Verbindung von Landschaftsbauwerk und Hauptzugang des Gebietes auf der einen Seite und einem weiteren, großzügigem, öffentlichem Platz und der Nebenerschließung für Fußgänger auf der anderen Seite ist die Promenade von großer Bedeutung für das Quartier. Parallel dazu, aber in einem kleineren Maßstab, sollen auch die Grundstücksgrenzen Richtung Teinenkamp und Bahnhof als Grünzug ausgebildet werden. Im südlichen Gewerbebereich schaffen die Bäume in Kombination mit einer gleichmäßig zurückgesetzten Fassade eine Adressbildung der Blockstrukturen und eine angenehme Eingangssituation. Im Norden bildet der Baumbestand in Verbindung mit einer aufgelockerten Bebauung einen ruhigen Wohnweg zum Spazieren und Verweilen.

Der bestehende Baumbestand wird in die fußgängerfreundliche Zone integriert und eine effektive Durchwegung durch das Quartier wird gewährleistet. Priorität wird dabei stets auf den Erhalt des Baumbestandes und die Integration in das städtebauliche Konzept gelegt. Darüber hinaus sind optional Fußgängerverbindungen zu den Nachbarschaften in Richtung Nord- und Südosten angedacht. Diese sollen dazu beitragen, das Quartier optimal in die Umgebung zu integrieren und die attraktive Neugestaltung für jedermann zugänglich zu machen.

 

Freiraumkonzept

Die zentrale Erschließungsstraße ist auch die zentrale Grünstruktur des neuen Quartiers. Lockere Baumgruppen betonen die rhythmisierte Raumfolge. Von hier werden die Erschließungswege der Wohnblöcke mit Baumreihen akzentuiert, jeder Block enthält dabei eine eigene, charakteristische Baumart. Am Ende der Erschließungsstraße („Promenade“) besteht eine Wendemöglichkeit für Anwohner und Lieferfahrzeuge, von der auch Verbindungen in die umliegenden Quartiere und zum Bahnhof für Fußgänger und Radfahrer bestehen. Der Zugang zum Bahnhof an der Werkstraße wird durch einen kleinen Eingangsplatz gestaltet. Die innenliegenden Freiräume der Wohnblöcke haben immer eine zentrale Gemeinschaftsfläche mit Spielbereich, oder Grillplatz und Bänken für die Bewohner. Entsprechend der Gebäudetypologie werden auch wohnungsbezogene Mietergärten angeboten.

In den öffentlichen Freiflächen werden auch Versickerungsmulden für das Regenwasser vorgesehen. Der Baumbestand entlang der Grundstücksgrenze (B1) wird gepflegt und erhalten.

Das „Landschaftsbauwerk“ aus dem kontaminierten Boden wird in einer abstrahierten Form einer Wallburg angelegt. Dadurch entsteht eine markanter Akzent am Eingang des neuen Quartiers, der in erster Linie als Spielbereich und für Feste oder lokale kulturelle Veranstaltungen, die in dem nach außen geschützten und zum Quartier hin offenen Raum stattfinden können. Die vollständige Verwendung der 23.000 m³ ist dabei nachgewiesen. Ein einzelner Großbaum wird durch Betonringe zum kontaminierten Boden abgegrenzt. Das notwendige Versickerungsbecken befindet sich südlich, außerhalb des Walls. Der Wall wird bis zum Parkhaus weitergeführt, so dass jeder, der über die Haupterschließungsstraße („Promenade“) das neue Quartier betritt, den Wall durchquert, was den Hauptgrünzug stärkt und die Identität des Quartiers fördert. Eine weitere Querung des Walls ist etwas südlich durch einen direkten Zugang zum Künstlerhaus und den Pfadfindern am Teinenkamp vorgesehen. In diesem Bereich können temporär auch z.B. die gewünschten Seecontainer aufgestellt werden, so dass die Pfadfinder und Künstler zwar einen eigenen Zugang zu dieser Gemeinschafts- und Spielfläche haben und deren „Bespielung“ gewährleisten, aber doch sichergestellt ist, dass es sich hier um die zentrale Freifläche für die neuen Bewohner des Quartiers handelt.

 

Gestaltung und Wirkung

Architektonisch wird durch unterschiedliche Gebäudetypologien bewirkt, gemischte Nutzerprofile anzusprechen, um eine möglichst vielfältige Bewohnerlandschaft zu schaffen. Sozial geförderter Wohnungsbau, frei finanzierter Geschosswohnungsbau, Reihenhausstrukturen und Stadtvillen schaffen in diversen Größenordnungen zahlreiche Wohnqualitäten. Innovative Grundrisskonzepte eignen sich für unterschiedliche Alters- und Zielgruppen. Jede Wohneinheit hat durch den direkten Zugang zu einem Balkon, einer Loggia, einer Terrasse oder sogar einem eigenen Garten (Reihenhäuser) das Privileg einen privaten Außenbereich zu besitzen. Die Grundrisse verbinden höchste Qualität mit optimaler Wirtschaftlichkeit. Der Geschosswohnungsbau funktioniert meist als drei bis vier Spänner. Dabei sind die Treppenhäuser möglichst an der Fassade oder mit dem direkten Bezug zum Außenraum ausgerichtet. Die Räume, Innen wie Außen, sind klar zoniert. Die Schlafzimmer der Wohnungen sind nach Möglichkeit gegen Norden orientiert, wobei sich die Wohnräume mit großzügigen Freibereichen nach Süden oder in Richtung des Wohnhofes öffnen. Wohn- und Essbereiche sind miteinander kombiniert und schaffen einen offenen Aufenthaltsbereich für die Bewohner. Die Balkone und Loggien sind leicht in das Volumen eingeschnitten, sodass kleine geschützte Bereiche entstehen. Die Sockelzonen der angrenzenden Bebauungen zur Hauptpromenade sind teilweise mit gemeinschaftlichen Nutzungen, wie Aufenthalts- oder Jugendräumen zum Austausch und der Kommunikation versehen.

Die Adressbildung der Bürobauten funktioniert über die „Teinenkamp-Promenade“ oder dem dazu parallellaufenden Grünzug im Südwesten. Die Dimensionierung der Gebäude mit ihren individuellen Eingängen lassen eine flexible Vermietung an Großmieter sowie unterschiedliche Nutzergruppen zu.

Die Fassadengestaltung folgt einem zusammenhängenden Konzept, das von Gebäude zu Gebäude leicht variiert und ein lebendiges Erscheinungsbild vermittelt. Die Verwendung von Putz und Ziegelsteinen lassen die Bebauungen optimal in die umgebende Bebauung integrieren. Durch weiße geschossabtrennende Bänder wird die Horizontalität in der Fassade hervorgehoben.

 


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